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Neurodermitis – die Rolle der Immunabwehr

Quälender Juckreiz und das äußere Erscheinungsbild mit rissiger Haut und entzündeten Hautpartien gehören zu den typischen Symptomen bei Neurodermitis. Doch die tiefere Ursache, warum die Haut „verrückt spielt“, liegt im Inneren des Körpers – in einem überaktiven Immunsystem. Deswegen wollen wir uns in diesem Artikel mit der körpereigenen Abwehr beschäftigen und erläutern, in welchem Zusammenhang sie mit der chronisch-entzündlichen Erkrankung Neurodermitis steht.

Dieses Wissen über die Ursachen der Neurodermitis hat auch zur Entwicklung von neuen Behandlungsmöglichkeiten in der Forschung geführt. Auch darüber erfährst du in diesem Beitrag mehr!

Das Immunsystem: Welche Aufgaben es hat und wie es bei „gesunden“ Menschen funktioniert

Unsere Immunabwehr ist ein hochspezialisiertes System: Es hat die Aufgabe, unseren Körper vor Krankheitserregern aller Art zu schützen, die über Haut, Schleimhäute, Mund und Atemwege in den Körper gelangen. Das sind beispielsweise Viren, Bakterien und Schadstoffe, mit denen wir täglich konfrontiert werden. Dafür sind verschiedene Arten von Abwehrzellen im Einsatz. Sie können feindliche Eindringlinge oder veränderte körpereigene Zellen erkennen, diese markieren und eine schlagkräftige Abwehrkette bilden. Eine funktionierende Immunabwehr kann damit fast jeden Gegner ausschalten.1

Wie aber kann das Immunsystem zwischen körpereigenen gesunden und körperfremden oder bösartigen Zellen unterscheiden? Das hat mit den sogenannten Antigenen zu tun. Antigene umfassen alle Stoffe, die als fremd erkannt werden.2 Pollen können zum Beispiel als typische Antigene wirken, die das Immunsystem reizen können. Sie sitzen als Oberflächenmerkmale auf der äußeren Zellwand eines Erregers. Unser Abwehrsystem setzt einen Mechanismus in Gang, der pausenlos alle Zelloberflächen mit sogenannten Antigen-Rezeptoren abtastet. Körpereigene Zellen, die ihm bekannt sind, lässt er ungestört passieren. Als schädlich eingestufte Antigene dagegen werden enttarnt und Antikörper als spezifische Antwort des Immunsystems auf diese Antigene gebildet. Für jedes Antigen gibt es einen Antikörper, der dieses nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip angreift und den Infektionserreger unschädlich machen kann.2 Durch jede Krankheit lernt unser Körper, harmlose von schädlichen Zellen zu unterscheiden, was auch als immunologisches Gedächtnis bezeichnet wird. Der gleiche Krankheitserreger hat es bei der nächsten Ansteckung sehr schwer, weil es bereits Antikörper im Blut gegen ihn gibt, die ihn sofort erkennen und bekämpfen können.

Was passiert, wenn das Immunsystem aus dem Ruder läuft?

Das Immunsystem ist kein einzelnes Organ, wie die Leber oder das Herz, sondern ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Organen und Abläufen im Körper. Auf sogenannte Trigger – das können Allergene wie Pollen aus der Luft, äußere Reize wie große Temperaturschwankungen, aber auch Stressfaktoren sein – antwortet das Immunsystem mit einer überschießenden Reaktion. Sie kann sich zum Beispiel in Form einer Entzündung wie bei der chronisch-entzündlichen Erkrankung Neurodermitis zeigen, die die Hautbarriere schädigt und Juckreiz auslöst. Aber auch innere Organe wie der Magen-Darm-Trakt, die Atemwege und das Lymphsystem können betroffen sein.1 Bei der Neurodermitis kann es also zu einem Zusammenspiel aus einer gestörten Hautbarriere, durch die Stoffe besonders leicht eindringen können, und einer übersteigerten Abwehrreaktion auf diese zum Teil harmlosen Stoffe kommen.3 Die Veranlagung zu einer Neurodermitis kann genetisch bedingt sein. Deshalb ist das Erkrankungsrisiko erheblich höher, wenn auch Eltern oder Geschwister von Neurodermitis betroffen sind.3

Die Rolle von Zellen und Botenstoffen bei Neurodermitis

Das Immunsystem wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Immunzellen, Botenstoffen und weiteren Faktoren gesteuert. Dringen Fremdstoffe durch die Haut ein, werden bestimmte Immunzellen aktiviert. Für die Kommunikation zwischen den Immunzellen sind Botenstoffe zuständig. Letztere sorgen für die Signalübertragung, sie sind also quasi die Sprache des Immunsystems.4 Damit können Botenstoffen auch Entzündungen regulieren und diese sowohl begünstigen als auch bremsen.1

Bei der chronisch-entzündlichen Erkrankung Neurodermitis sind sogenannte T-Helfer-Zellen beteiligt. Sie produzieren Botenstoffe, darunter verschiedene sogenannte Interleukine, die Immunreaktionen auslösen, indem sie Signale übertragen. Bei Menschen mit Neurodermitis lösen die Interleukine eine Entzündung der Haut sowie Juckreiz aus und schwächen die Hautbarriere. Im Inneren der Zelle sitzen sogenannte Januskinasen (JAK), die das Signal der Interleukine innerhalb der Zelle an den Zellkern weiterleiten und Entzündungsreaktionen auslösen.1 Bei Neurodermitis sind bestimmte Botenstoffe, wie etwa die genannten Interleukine im Übermaß vorhanden (überexprimiert) und lösen über die Aktivierung von Januskinasen für die Neurodermitis typische Entzündungsprozesse aus. Wichtig ist also, ihre Wirkung zu hemmen und das aus dem Gleichgewicht geratene Immunsystem wieder ins Lot zu bringen, damit die Entzündung abklingen kann.1

(Quelle: AbbVie)

Neue Therapien wirken gezielt auf Entzündungsprozesse im Körper

Die Forschung hat sich viele Jahre die Ursachen der Erkrankung und die Zusammenhänge im Körper angeschaut. Unter anderem, in welcher Form eine übermäßige Immunantwort auf bestimmte Reize und Allergene in der Haut Entzündungen, Juckreiz und Hautveränderungen hervorruft. Das hat zur Entwicklung von innovativen Therapien geführt, die direkt am Entzündungsprozess ansetzen. Dazu gehören zum Beispiel als Biologika bezeichnete Antikörper, die bestimmte Botenstoffe blockieren, und JAK-Inhibitoren, die durch Hemmung der Januskinasen die Weiterleitung des Entzündungs-Signals in das Zellinnere blockieren. Vor allem bei mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis konnten mit diesen neuen Therapieansätzen schon gute Ergebnisse erzielt werden.

Sprich deine Ärztin oder deinen Arzt an und frage nach neuen Behandlungsmöglichkeiten. So könnt ihr gemeinsam herausfinden, was für dich die passende Therapieoption ist.

Du hast noch nicht die richtige Praxis für dich gefunden oder dein letzter Besuch ist schon eine Weile her? Nutze die Hautarztsuche oder vereinbare einen Termin über den OnlineDoctor – weitere Informationen findest du hier: 

Referenzen:

  1. Mein Allergie Portal. Neurodermitis & Immunsystem: Neue systemische Therapien. Online verfügbar unter: https://www.mein-allergie-portal.com/neurodermitis/3656-neurodermitisimmunsystem-neue-systemische-therapien.html (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)
  2. Gesundheitsinformation. Glossar: Antigen. Online verfügbar unter: https://www.gesundheitsinformation.de/glossar/antigene.html (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)
  3. Deutsche Haut- und Allergiehilfe e.V.. Neurodermitis - Ursachen und Auslöser. Online verfügbar unter: https://www.dha-neurodermitis.de/neurodermitis.html (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)
  4. StudySmarter. Interleukin. Online verfügbar unter: https://www.studysmarter.de/schule/biologie/immunologie/interleukin/ (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)

Referenzen:

  1. Mein Allergie Portal. Neurodermitis & Immunsystem: Neue systemische Therapien. Online verfügbar unter: https://www.mein-allergie-portal.com/neurodermitis/3656-neurodermitisimmunsystem-neue-systemische-therapien.html (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)
  2. Gesundheitsinformation. Glossar: Antigen. Online verfügbar unter: https://www.gesundheits-information.de/glossar/anti-gene.html (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)
  3. Deutsche Haut- und Allergiehilfe e.V.. Neurodermitis - Ursachen und Auslöser. Online verfügbar unter: https://www.dha-neurodermitis.de/neuro-dermitis.html (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)
  4. StudySmarter. Interleukin. Online verfügbar unter: https://www.studysmarter.de/schu-le/biologie/immunologie/inter-leukin/ (zuletzt abgerufen am 11.08.2023)

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